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Das Ideal der substanzerhaltenden Stadtentwicklung

Hafenkatze #9

Fragen an Prof. Dr. Walter Buschmann, RWTH Aachen / Rheinische Industriekultur e. V., von Eva Rusch

Blick vom Otto-Langen-Quartier. Foto: Eva Rusch
Blick vom Otto-Langen-Quartier. Foto: Eva Rusch

Mit dem Werkstattverfahren zum Mülheimer Süden wurde 2014 ein Masterplan zur städtebaulichen Entwicklung vorgelegt. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die heutigen Planungen?

Im Werkstattverfahren zum  Mülheimer Süden gab es Entwürfe der Büros Bolles & Wilson und ksg (kister scheithauer gross architekten und stadtplaner). Der Entwurf von ksg war deutlich stärker an der historischen Substanz orientiert und wäre daher mein Favorit. Das von der Stadt Köln entwickelte Resultat aus dem Verfahren war leider stärker an dem Entwurf Bolles & Wilson orientiert. In den letzten Monaten hat es landesweit, besonders aber in Köln die neue Zielsetzung zur Förderung von Wohnungsbau in den Großstädten gegeben mit der Folge, dass auch die Ergebnisse des Werkstattverfahrens Mülheim-Süd noch einmal überarbeitet wurden.  Dabei wurden weitere historische Industriehallen zum Abriss vorgesehen. Das aber lässt sich mit der historischen Bedeutung des Ortes nicht vereinbaren.

 

Welche Bedeutung hat das Gebiet entlang der Deutz-Mülheimer Straße in industriehistorischer Hinsicht – auch im gesamtstädtischen, regionalen oder gar internationalen Vergleich?

Die Deutz AG gilt als die Wiege der Weltmotorisierung. Nikolaus August Otto entwickelte hier den Viertaktmotor. Auf dem Van der Zypen & Charlier-Gelände wurde die Schwebebahn erprobt und zur Produktionsreife gebracht. Lindgens & Söhne gelten als das Unternehmen, wo erstmals auf dem europäischen Kontinent eine eigenständige Fabrik zur Herstellung von Mennige, damals für den Korrosionsschutz von Stahlkonstruktionen unentbehrlich, entstand. Dieses Gebiet hat nicht nur eine herausragende industriegeschichtliche Bedeutung, sondern diese Bedeutung ist auch noch sehr anschaulich im Stadtbild ablesbar. Eine im Bild vergleichbar dicht mit Industriebauten bestückte Strecke wie die Deutz-Mülheimer Straße auf Höhe der Deutz AG gibt es landesweit und auch im Ruhrgebiet nicht mehr. Industriegeschichtliche Bedeutung und Anschaulichkeit bilden hier eine beeindruckende städtebaulich-historische Einheit. 

 

Wie sieht für Sie eine ideale Planung für das Gesamtgebiet aus?

Jede Planung für Mülheim-Süd zwischen Messe und Mülheimer Brücke muss sensibel mit den historischen Bauten und deren Umgebung umgehen. Das gilt auch für städtebauliche Anlagen und Bauten, die nicht unter Denkmalschutz stehen. Dazu rechne ich besonders die quer durch das Gebiet mit einer Viaduktstrecke und der Bogenbrücke über die Deutz-Mülheimer Straße zum Deutzer Bahnhof führende Bahnlinie, die Deutz-Mülheimer Straße selbst, den Mülheimer Hafen und das Umfeld der Zoobrücke und der Mülheimer Brücke.  Hier wird viel zu sehr auf die Belange des Einzelinvestors geschaut und der Zusammenhang zu wenig beachtet, zumal auch die zwischen den Entwicklungsbereichen von NRW.Urban, Gerchgroup, CG Gruppe, Lindgens liegenden Flächen und öffentlichen Räume zu wenig als Einheit gedacht werden. Es wäre begrüßenswert, wenn hier ein großflächiger Denkmalbereich ausgewiesen wird, um diese Zusammenschau der Einzelareale und ihr Verhältnis zu den Freiflächen zu befördern.

 

Wo sehen Sie die größten Sünden in den bisherigen Planungen? 

Doch sind keine Negativmaßnahmen baulicher Art (Neubau und Abriss) erfolgt, die wirklich gravierend wären.  Eine deutliche Fehlentwicklung gibt es hinsichtlich des östlich der Deutz-Mülheimer Straße gelegenen Geländes der Deutz AG. Der dort realisierte Verkaufspreis von 120 bis 170 Mio. Euro kann zu keiner substanzorientierten Planung mehr führen. Der Investor wird mit aller Macht versuchen, den hohen Bodenpreis durch Neubau zu refinanzieren. Anstelle von Stadtreparatur und erhaltender Stadterneuerung ist hier Kahlschlag vorprogrammiert.  

 

Welche Planungen gefallen Ihnen am besten und warum?

Vorbildhaft ist die weit über den Denkmalschutz hinausgehende Erhaltung historischer Industriebauten auf dem Lindgens-Gelände. Hier wiederholt sich etwas, was wir schon in Mülheim-Nord im Carlswerk und auf den benachbarten Flächen sehen konnten. Wir alle wissen, dass dies nicht nur eine Entwicklung war und ist, die dem Industriehistoriker und Denkmalpfleger gefällt. Mülheim-Nord wurde zu einem Anziehungsort für Kultur, Medien und Arbeitsplätze der sogenannten Zukunfts-Branchen. Es ist ein vorzeigbares Ergebnis erfolgreicher Stadt- entwicklung, die wesentlich durch Privatinvestoren betrieben wurde.  Auf dem Lindgens-Gelände wiederholt sich das. Als wichtige private Anfangsinvestition muss hier das Hotel „The New Yorker“ gesehen werden. Die steigende Attraktion des Hotels zog die Veranstaltungsnutzungen auf  dem Lindgens-Gelände – Dock.One und Harbour.Club – nach sich.

Erfreulicherweise hat sich die CG  Gruppe auf dem Van-der-Zypen & Charlier-Gelände diesem Verhalten angeschlossen. Auch hier sind über die Schwebahnhallen und das Zentralmagazin weitere historische Bauten zur Erhaltung vorgesehen. 

  

Was wünschen Sie sich an Strahlkraft für den Mülheimer Süden und wie könnte man dies erreichen?

Mülheim-Süd könnte das bisher schon gute Image Kölns bei der substanzerhaltenden Stadtentwicklung im Zusammenhang mit der Konversion von Industrieflächen noch stärken. Wir wissen, dass dies ein großes Thema im Ruhrgebiet war. Dort jedoch sind die Erfolge auf teils immense staatliche Investitionen zurückzuführen. Köln könnte dies mit dem Engagement privater Investoren schaffen, wenn die Politik die Weichen richtig stellt und die Verwaltung versucht, das im Kern schon vorhandene Potential zu stützen und zu fördern. Ich bin überzeugt, dass Köln damit einen sehr wichtigen, beispielhaften Beitrag, zu einer ökologischen, nachhaltigen und zugleich zukunftsorientierten Stadtentwicklungpolitik gelingen kann.

 

Herzlichen Dank!

Otto-Langen-Quartier, Villa Charlier im Bau. Foto: Eva Rusch
Otto-Langen-Quartier, Villa Charlier im Bau. Foto: Eva Rusch