Hafenkatze #2
Interview mit Michael Zimmermann, Architekt
Der Dipl. Ing. Architekt BDA Michael Zimmermann ist 1956 geboren und absolvierte in der Zeit von 1977 bis 1984 sein Architekturstudium an der TU Braunschweig. Von 1984 bis 1990 war er für das Büro von Gerkan, Marg + Partner (Hamburg) als Architekt tätig und wurde 1989 Partner. Anschließend wirkte er zwischen 1990 bis 2009 als Geschäftsführender Gesellschafter im Büro KSP Engel und Zimmermann. Seit Mitte 2009 ist er Geschäftsführender Gesellschafter in seinem neuen Büro Michael Zimmermann und Co. mit Sitz im Hafenamt des Rheinauhafens Köln.
Kontakt:
MICHAEL ZIMMERMANN & CO. GMBH
Harry-Blum-Platz 2, 50678 Köln
Pläne zur Bauleitplanung finden Sie auf der
Website der > Stadt Köln
Wir begegnen Michael Zimmermann zum ersten Mal im The New Yorker | HARBOUR CLUB bei der öffentlichen Vorstellung des Bebauungsplanentwurfes zum „DEUTZ Areal“ im Januar 2016. Im Anschluss daran treffen wir den Architekten vor seinem Modell im Vorraum und sprechen ihn an. Wir wollen mehr wissen und fragen ihn, ob er weitere Fragen beantworten würde. „Gerne“, erwiderte er spontan. „Ich stehe Ihnen als Gesprächspartner für ein Interview zur Verfügung.“
Mit frischem Fragenrepertoire besuchen wir den Planer zwei Wochen später im Rheinauhafen, dem Sitz seines Architekturbüros. Das pittoreske Hafenamt gehört Michael Zimmermann. Es ist eine beeindruckende Location, das schönste Gebäude im Rheinauhafen und es beweist Michael Zimmermanns Händchen für historische Bausubstanz. Hier hat sein Büro das gesamte Erdgeschoss eingenommen und hier steht auch das Modell in der aktuellen Fassung.
Wasser hat eine hohe Anziehungskraft auf Menschen. Es gibt ihnen das Gefühl von räumlicher Größe und Freiraum. Aber auch wegen der Erreichbarkeit sind Städte, die am Wasser liegen Metropolen geworden. So sieht es der Frankfurter Masterplaner Albert Speer. Vor über zehn Jahren plante Michael Zimmermann das Kap am Südkai und bewies mit dem ersten modernen Bürogebäude im Rheinauhafen Pioniergeist. Nun widmen sich der Architekt und sein Team dem Deutz-Areal, einem Teilstück des 60 Hektar großen Entwicklungsgebietes Mülheimer Süden, das mit dem Mülheimer Hafen ganz in der Nähe des Wassers liegt. Hier stellt er seinen Bebauungsplanentwurf vor.
Derzeit ist für das Gebiet noch kein Titel vorgesehen, grundsätzlich ist der Architekt auch gegen künstliche Namen. „Mülheim Süd finde ich gut, da kann Jeder etwas mit anfangen“, erklärt er. „Auch Herr Hamacher hat einen guten Weg gewählt, indem er den Namen Lindgens weiter nutzt.“ Am Ende wird die Namensgebung ohnehin durch die Bevölkerung und einzelne Investoren erfolgen, weiß der Planer.
Der Mülheimer Hafen ist mit seiner unmittelbaren Nachbarschaft eine der interessantesten Entwicklungslagen im Stadtgebiet. Das Deutz-Areal ist eines der Filetstücke des gesamten Terrains. Das ehemalige Stammwerk der Deutz AG (vormals KHD Klöckner-Humboldt-Deutz AG) galt als Wiege der Weltmotorisierung. Das Teilgebiet östlich der Deutz-Mülheimer Straße bildet das Bindeglied zwischen Alt-Mülheim und dem industriell genutzten Mülheimer Süden in unmittelbarer Nähe des Rheins.
Das 21 Hektar große Deutz-Areal, in dem teilweise heute noch produziert wird, wird in seiner Gesamtheit beplant, sollte aber nicht als ein Quartier begriffen werden. Es wird eine komplett neue Erschließung des Gebietes durch die Verlängerung des Auenweges erfolgen. Als ‚Tor zum Quartier’ mit neuen Plätzen ist einmal die Ecke bei dem Lindgens Areal an der Deutz-Mülheimer Straße/Ecke Auenweg und am New Yorker vorbei an dem neu vorgesehenen Platz am Auenweg gedacht.
Der große Grünzug im Norden schafft die Verbindung vom alten Mülheimer Stadt- und Wohngebiet zum Rhein. Der Mülheimer Stadtpark wird über den Grünzug zum Rheinboulevard weitergeführt. Die im Norden bestehende Wohnbebauung wird arrondiert. Die jetzige gewerbliche Nutzung (z. B. die Firma Beeline) wird berücksichtigt.
Im südlichen Teil des Areals werden neue Strukturen geschaffen, jedoch die denkmalgeschützten Backsteinhallen oder andere erhaltenswerte Gebäude mit einbezogen und teilweise anderweitig genutzt.
Zur Zeit sieht die Bebauung einzelne Quartiere mit Hof-Charakter vor, die über mehrere kleinere Durchgänge erschlossen werden und so Durch- und Einblicke liefern. Neues wird in Vorhandenes harmonisch eingefügt.
Verschiedene Straßencharaktere – von größeren Erschließungsstraßen, über kleine Einbahnstraßen mit Radwegen bis hin zu verkehrsberuhigten Straßen – verbinden das Gebiet. Der größte Grünzug Park wird nur über eine Eingangsstraße erschlossen. Da hier eine weitere Umlenkung des Verkehrs durch Einbahnstraßen vorgesehen ist, entstehet kein Durchgangsverkehr. Der Auenweg bildet das Rückgrat für die Erschließung des Areals. Von hier aus ergeben sich die Wegebeziehungen zur Erschließung des Gebietes. Auch ein komplett verkehrsberuhigter kleinerer Grünzug zwischen Windmühlenstraße und Deutz-Mülheimer Straße ist geplant. Die Windmühlenstraße wird wieder weitergeführt, in etwa so, wie sie vor mehr als 100 Jahren verlaufen ist. Das gesamte Areal wird mit Radwegen durchzogen sein.
Eine Grundruhe im Viertel entsteht durch eine vorrangige Geschosshöhe von 5 Geschossen. Markante Punkte werden durch einzelne höhere Bauten hervorgehoben. Industriedenkmäler, aber auch nicht denkmalgeschützte Bauwerke wie beispielsweise der Schornstein an der Grünstraße, der eigentlich eine Entlüftung ist, sollen erhalten bleiben, da sie Wiedererkennungswert besitzen und Identität stiften.
Die Bebauungsplanung des Deutz-Areals im Mülheimer Süden ist nur ein Teil der Aufgaben des bekannten Architekten. Entwicklung von Wohnprodukten und Vermarktung gehören ebenfalls dazu: „Die Fragen der Erschließung sind auch Bestandteil der Planung und werden mit der Stadt ständig abgestimmt.“ Hier werden die Maßstäbe der künftigen Entwicklung vorgegeben. Einzelne Objekte können an Großinvestoren gehen, aber auch der Verkauf an kleinere Privat-Investoren ist angedacht. So soll es möglich sein, dass auch gut situierte Mülheimer ein Mehrfamilienhaus erwerben können. Bauherrengemeinschaften sind ebenso denkbar. „Keine Angst sollte man vor dem geplanten sozialen Wohnungsbau haben“, so Zimmermann. Der ist, wegen der geplanten Sonderabschreibungen die im Bundesbaugesetz vorgesehen sind, auch für private Investoren interessant.
Doch nicht nur der Name für das Teilstück des Mülheimer Südens könnte durch die Bevölkerung entstehen. Michael Zimmermann wünscht sich, dass sich auch die Bürgerinnen und Bürger um die Ecke mit Fragen, Bedenken und Wünschen äußern, nicht nur die gut vorbereiteten ‚Spezialisten’. „Denn gerade diese Hinweise sind oft sehr nützlich. Im Nebengespräch am Modell nach der Veranstaltung erfährt man oft interessante Details.“
Fotos: SAWER Fotografie, www.sawer.de
Michael Zimmermann hat durch seine Erläuterung zum Modell bereits viele Fragen beantwortet. Einige hatten wir aber noch:
Herr Zimmermann, Sie sind ein angesehener Architekt. Betrachten Sie sich auch als Entwickler?
Ich habe mich immer auch so gesehen: Planung von Anfang an bis zur Vermarktung. Quartier für Quartier und Grundstück für Grundstück. Gute Architektur begreife ich nicht nur als Design – sie muss auch auf vielen anderen Ebenen funktionieren. Der Aspekt der ‚Ganzheitlichkeit’ ist zentral. Wir denken nutzungs- und zielgruppenbezogen: Wer ist potentiell als Investor, Nutzer, Entwickler zu motivieren?
Was ist mit der geplanten Schule?
Ein Schulstandort im Quartier ist gesetzt. Sicher ist, dass es eine Grundschule und eine Gesamtschule geben wird. Wir wissen allerdings noch nicht, in welcher Konstellation diese beiden Schultypen auf dem Grundstück positioniert werden.
Sehen Sie soziale Konflikte bei der Entwicklung?
Grundsätzlich ist es so, dass es nicht ein Viertel geben wird. Hierfür fehlen die Bezugspunkte in der täglichen Wahrnehmung, da das ganze Quartier zu groß ist. Es werden sich vielmehr kleine Einzelquartiere entwickeln.
Konflikte können überall dort entstehen, wo Schulen, Kindergärten, Gewerbenutzung vorgesehen ist, also dort wo Flächen heterogen genutzt werden. Aber eine derartige Nutzung gehört zu ‚allem was Stadt ausmacht’ dazu. Es sind im Verhältnis 70 Prozent Wohnbebauung (mit Preisgefüge verschiedenen Ranges) und 30 Prozent Gewerbe geplant. Die Differenzierung zwischen öffentlich gefördertem Wohnungsbau und freiem ist positiv zu sehen, denn dies macht das Gebiet für Investoren interessanter.
Wie sieht es mit dem Einzelhandel aus?
Dieser ist an ‚Fokuspunkten’ vorgesehen und sollte möglichst größer sein, als dies nach geltenden Vorgaben erlaubt ist. Das Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Stadt Köln sollte überdacht werden. Man muss sich vorstellen, dass hier in einer Größenordnung gebaut wird, die einem Drittel einer Kleinstadt entspricht.
Es wird ja eine neue Typologie des Mischgebietes mit verringertem Lärmschutz diskutiert. Ist dies hier einschlägig?
In Hamburg gibt es hierzu bereits eine interessante Entwicklung. Hierfür müsste jedoch das BundesBauGesetz geändert werden. Daran führt kein Weg vorbei, aber das wird wohl noch dauern.
Vorgesehen haben wir Gewerbe, Dienstleistung und Wohnen und eine Mischform von Wohnung und Gewerbe, wo beispielsweise Selbständige die Bürofläche nach der Arbeit auch als Wohnraum nutzen können.
In welchem Zeitraum bewegt sich die Planung?
Wir sind relativ weit mit der Planung. Ende 2017 soll das Planungsrecht stehen, mit gut geordnetem Baurecht zum Verkauf. Unser Timetable: Sommer 2016 soll der Bebauungsplanentwurf vorstellungsreif sein. Zurzeit führen wir Gespräche mit Nachbarn. Glücklicherweise wünscht sich die Deutz AG ein gutes Konzept und lässt uns für die Entwicklung Zeit.
Wie stehen Sie zu der Idee einer Straßenbahn auf der Deutz-Mülheimer Straße?
Ich sehe das pragmatisch und sehe relativ wenig Chancen auf eine zeitnahe Realisierung. Ein Problem sind die Kosten. Daher orientieren wir uns an einem ‚Gesamtmobilitätskonzept’, das auch die Zwischenphase bis zu einem möglichen Straßenbahnbau mit einbezieht. ÖPNV muss funktionieren. Daher ist eine Buslinie zu favorisieren. Nach den bisherigen Berechnungen droht kein Verkehrskollaps, sogar im Gegenteil.
Was ist mit der 1:1 Stellplatz-Vorschrift?
Auch hier möchte ich wieder auf das Gesamtmobilitätskonzept verweisen. Wir müssen ein ganzheitliches Mobilitätskonzept erstellen, was dann der Öffentlichkeit vermittelt werden muss. Alle Szenarien der Verkehrsführung werden mit der Stadtverwaltung besprochen. Genau wie die Bereiche Umwelt und Lärm.
Stichwort Umwelt. Nur Dachbegrünung kann es ja nicht sein. Was ist hier vorgesehen?
Es werden Verhandlungen mit der RheinEnergie geführt. Aber zum Beispiel ein Public Private Partnership-Modell des Energie-Contractings gehört in den Bereich der Projektentwicklung und nicht mehr zur Bebauungsplanerstellung.
Sie vertreten einen ganzheitlichen Ansatz. Welchen Vorteil sehen Sie darin?
Wir planen vom leeren Papier bis zum Endprodukt. Je detaillierter der Plan ist, desto größer ist die Chance, dass bei der Realisation durch verschiedene Bauträger das Gesamtkonzept erhalten bleibt. Was schließlich auch bedeutet, dass die Vermarktung konkreter ablaufen kann.
Wie gut kennen Sie Mülheim und was reizt Sie an der stadtplanerischen Aufgabe?
Mülheim ist für mich ein Stadtteil Kölns, wie auch Ehrenfeld oder andere Stadtteile. Einen besonderen Bezug habe ich nicht. Aber ich bin Kölner und Köln ist ‚meine’ Stadt. Ich habe Spaß dabei, mir vorzustellen, in Zukunft durch ein lebendiges Quartier zu laufen, das ich mit gestalten konnte und das zu meiner Heimat gehört.
Herr Zimmermann wir bedanken uns für das Gespräch.
Das Interview führten Eva Rusch und Ricarda Wassner-Dillmann am 16. Februar 2016
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